18.09.2025
Acht Kranzkühe werden ausgezeichnet. Die beiden Grauvieh-Damen sind die beiden „Stoaßbroscht", die wehrhaftesten Kühe der Almsaison. (Fotos: BZ/Pixner, Familie Schrott)
Aus der Ferne hört man bereits die ersten Kuhglocken. Die Goaßlschnalzer lassen ihre Peitschen schnellen, in Tracht gekleidete Kinder aus dem Dorf tragen das Schild mit der Aufschrift „Der Summer ist aus, i mueß obi ins Tal" vor sich her. Alle, die sich am Dorfplatz versammelt haben, möchten die Almtiere bewundern, die ihren Weg in den heimischen Stall antreten. Etwas oberhalb des Platzes bereiten Klaus Schrott, Agrarobmann Tanzalpe Jerzens, und über 40 Helferinnen und Helfer die Kühe auf ihren großen Auftritt vor. Es wird geputzt, der prächtige Kopfschmuck fixiert, die Kuhglocken mit kunstvoll bestickten Riemen nochmals überprüft.
V. r.: Klaus Schrott, Hirte auf der Kalbenalm und Agrarobmann der Tanzalpe Jerzens, beim Almabtrieb mit seiner Frau Helga und der fleißigen Treiberin Sophia. Kuh Fini durfte einen besonderen Kopfschmuck tragen, denn sie war die produktivste Milchkuh.
Ehrung mit Überraschungseffekt
Die „Stoaßbroscht", Grauviehkuh Fischi, ist die erste der acht Kranzkühe, die den Almabtrieb in Jerzens anführen. Sie haben sich unter 180 Stück Almvieh auf der Tanzalpe durch besondere Leistungen hervorgetan. Gekrönt wurden jeweils die zwei schönsten Fleck- und Grauviehkühe, die zwei „Milchbroscht" – also jene, die am meisten Milch gaben – sowie die zwei „Stoaßbroscht", die wehrhaftesten Kühe. Über die Auswahl entschieden die beiden Hirten Andreas und Christian Höllwarth aus dem Zillertal, die den Sommer mit den Tieren auf der Alm verbrachten.
Welche Kühe ausgezeichnet werden, bleibt bis zum Abtrieb ein gut gehütetes Geheimnis. Erst im Tal sehen die Bauern, ob ihre Tiere zu den Kranzkühen gehören. „Das ist jedes Mal eine große Freude – egal, ob es die schönsten, produktivsten oder die wildesten Kühe sind", sagt Agrarobmann Klaus Schrott. Den Kranz darf der Bauer behalten – als Dank dafür, dass er seine Siegerkuh auf die Alm getrieben hat. Auch die restlichen Tiere bekommen selbstverständlich eine Schelle und werden geputzt. „Das hat sich jede Kuh nach dem Sommer verdient", betont Schrott. Am wichtigsten sei schließlich, dass Mensch und Tier gesund ins Tal kommen.
Die Hirten: Klaus Schrott, Andreas Höllwarth und Christian Höllwarth.
Neffe Jonas Schrott holte auch seine Goaß wieder ins Tal.
Über die Tanzalpe
Das Gebiet der Tanzalpe umfasst 800 Hektar. Zum etwa 180 Stück starken Almvieh gehören 86 Melkkühe, rund 40 Jungtiere, 20 Mutterkühe sowie einige Haflinger, Ponys und Ziegen. Die meisten Rinder stammen aus dem Zillertal: Die Familie Höllwarth, zu der auch die Hirten Andreas und Christian zählen, ist Pächter der Alm und bringt ihre Fleckvieh-Rinder seit vier Jahren nach Jerzens. Die restlichen Grauvieh-Rinder gehören verschiedenen Bauern aus der Umgebung.
Früher nutzte man auf der Tanzalpe eine Pipeline, um die Milch ins Tal zu bringen. Inzwischen ist die Menge zu groß, weshalb der Tirol-Milch-Laster alle drei Tage hinauffährt. Die Leitung könne jedoch jederzeit wieder aktiviert werden, erklärt Schrott.
Während die bewirtschaftete Tanzalpe von Familie Wechselberger geführt wird, kümmern sich Klaus Schrott und seine Frau Helga um die etwas entlegenere Kalbenalm, wo vor allem Jungvieh den Sommer verbringt.
Seit 30 Jahren bindet Waltraud Schrott den Kopfschmuck mit Material von der Alm. Am Stadel des Bauernhaus Schrott sind die Kränze der vergangenen Jahre zu sehen. Klaus Schrott schnitzt am liebsten Tierskulpturen.
Zeiten ändern sich, Kopfschmuck nicht
Hinter den Kulissen des Almabtriebs sind viele helfende Hände nötig. Bereits am Donnerstag trafen sich die Jerzener Bauernfamilien auf der Tanzalpe, um den Viehschmuck für den Abtrieb vorzubereiten. Das Binden der Kränze ist großteils Frauensache, die Männer sammeln die Naturmaterialien im Almgebiet und schmücken die Hirtenstecken. „Den gibt man als guter Hirte nur ungern aus der Hand – ich nehme meinen manchmal sogar mit ins Bett", schmunzelt Klaus. Selbst der Hut wird geschmückt, und auch die Hirten selbst putzen sich für den großen Tag heraus.
Den schönsten Kopfschmuck erhält die „Milchbroscht". Mit rund 4.700 Litern Milch hat sich Fleckviehkuh Fini diese Ehre verdient. Das Binden übernimmt Waltraud Schrott, die Mutter von Klaus. Mit geübten Griffen befestigt sie das weiße Islandmoos und die leuchtend roten Glan (Preiselbeeren) am Holzkreuz. Verziert wird der Kranz mit Schnitzereien von Klaus – kleinen Käselaiben, einem Butterfass und einer Holzleiter. Auch die restlichen sieben Kränze entstehen mit viel Sorgfalt aus Naturmaterialien wie Moos, Erika, Schafgarbe und Almrosen. „Das wurde vor 150 Jahren schon so gemacht, und wenn es nach mir geht, auch in den nächsten 150 Jahren", erklärt Schrott.
Für den Almabtrieb ist das ganze Dorf auf den Beinen. Von der Warm-up-Party der Landjugend bis zu den Ständen der Bäuerinnen und der Feuerwehr beteiligt sich jeder und feiert das Ende der Saison. „So wie andere Gemeinden die Fasnacht oder das Blochziehen haben, haben wir unseren Almabtrieb", betont Klaus.
15-Jahr-Hirtenjubiläum
Seit fünf Jahren ist Klaus Schrott Agrarobmann der Tanzalpe Jerzens, seit 15 Jahren Hirte aus Leidenschaft. „Ich tue nur das, was mir Spaß macht – und für mich gibt es nichts Schöneres, als in dieser Höhenlage mit der Natur zu leben", sagt er, die Hündin Sindy an seiner Seite. Gemeinsam mit Helga führt er im Tal das Bauernhaus Schrott. Mit „Urlaub am Bauernhof" und der Haltung von sechs Mastrindern, Ziegen, Hasen und Hennen gibt es auch dort stets Arbeit. Die drei Hektar Grünland müssen großteils händisch gemäht werden. „Im Winter ist der Hirte arbeitslos. Und was macht er dann? Er fängt mit dem Schnitzen an", erklärt Schrott, der mehrere Kurse an der Schnitzschule in Elbigenalp besucht hat. Spezialisiert hat er sich auf Tierfiguren aus Holz – zu sehen am Bauernhaus und sogar auf der Kalbenalm. Besonders auffällig ist der Stadel am Hof: Er ist mit den Kränzen ehemaliger Siegerkühe geschmückt. Auf ihre Zeit als aktive Bäuerin blickt auch Waltraud Schrott gerne zurück: „Oft habe ich auf der Alm den Kranz gebunden und wusste nicht, dass ich ihn im Tal selbst für meine Kuh erhalten werde. Ich habe mich jedes Mal sehr gefreut." Diese Freude gibt Familie Schrott nun weiter – und bewahrt die Tradition der geehrten „Milch-" und „Stoaßbroscht" in Jerzens.
Es braucht viele helfende Hände, um die kunstvollen Kränze zu binden. Gebunden wird direkt auf der Tanzalpe.
Das Video dazu finden Sie unter www.bauernzeitung.at.
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