09.05.2024

Für Stefan Eberl, Hermann Gahr und Hubert Geisler ist das Herdenschutzprojekt mit Behirtung nicht praxistauglich. (Foto: Bauernzeitung)
Über 40 Jahre lang verbrachten die Schafe von Hubert Geisler ihre Sommerfrische auf der Verwall-Alm in St. Anton am Arlberg. Bis vor zwei Jahren funktionierte das auch zur vollsten Zufriedenheit des Schafbauern. Die Schafe waren am Arlberg bestens aufgehoben und kamen am Ende des Sommers gut erholt zurück in den Stall am Kolsassberg.
Im Jahr 2021 gab es dann aber massive Probleme. Aufgrund von Bär und Wolf endete damals der Almsommer für die Schafe bereits am 18. Juli, als in Folge mehrerer Rissereignisse die Bauern nur noch einen frühzeitigen Almabtrieb als Lösung sahen.
Im Jahr 2022 wurde schließlich ein Herdenschutzprojekt auf der Verwall-Alm gestartet. Zwei Hirtinnen mit ihren Hütehunden sollten dafür sorgen, dass die rund 1.000 Schafe wohlbehütet den Sommer auf der Alm verbringen können. Seitdem bzw. durch diese Herdenschutz-Maßnahmen hat sich für Geisler und weitere Bauern aus der Region Kolsassberg und Weerberg die Situation auf der Verwall-Alpe dermaßen verschlechtert, dass sie sich dazu gezwungen sahen, einen alternativen Almplatz für ihre mehrere hundert Schafe zu suchen.
Stress statt Sommerfrische
Geisler schildert die Situation: „Die Schafe wurden untertags von den Hirten und Hunden bewacht. Nachts wurden sie in Pferche getrieben, die sie vor dem Wolf schützen sollen. Das entspricht aber nicht dem üblichen Weideverhalten von Schafen auf der Alm.“ Normalerweise weiden die Tiere am frühen Morgen und Abend, wenn es kühler ist. Untertags suchen sie sich ein feines Plätzchen und ruhen den Großteil des Tages. Durch die Behirtung wurden die Schafe untertags viel bewegt, um die Weideflächen zu erreichen und bis zum Abend wieder beim Pferch zu sein. Laut Geisler war es für die Schafe ein stressiger Sommer. „In den letzten zwei Jahren kamen die Schafe in einem schlechten Zustand von der Alm retour“, bedauert Geisler und fährt fort: „Die Schafe hatten nicht an Gewicht zugenommen, wiesen teilweise Bissspuren von den Hunden auf, viele waren nicht trächtig und generell gesundheitlich nicht im besten Zustand.“
Wirtschaftliche Einbußen
Von Sommerfrische könne da keine Rede mehr sein, ergänzt Stefan Eberl, ebenfalls Schafbauer am Kolsassberg. Geisler, Eberl und drei weitere Schafbauern werden ihre Tiere heuer auf Almen im Achental und Ötztal auftreiben. Einerseits aus Tierwohlgründen, aber auch aus wirtschaftlicher Sicht. „Üblicherweise haben wir von einem Frühlingslamm im Herbst 25 kg Fleisch zum Vermarkten, im letzten Jahr waren es nur rund 12 Kilogramm. Das ist wirtschaftlich nicht vertretbar“, betont Geisler. Anstatt wie üblich im Herbst zu schlachten, fütterte er die Tiere noch weitere vier Monate, bis sie dann schließlich im Dezember das passende Schlachtgewicht erreicht hatten. „So macht das aber keinen Sinn für uns als Fleisch-Produzenten“, betont Geisler.
Herdenschutz für NR Gahr keine Lösung
NR Hermann Gahr wurde die Problematik auf der Verwall-Alm von mehreren Schafbauern geschildert und er versteht deren Ärger nur zu gut. „Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass Herdenschutzprojekte mit Behirtung in der Theorie gut klingen, in der Praxis aber einfach nicht funktionieren. Einerseits wird vonseiten der Bevölkerung immer noch mehr Tierwohl gefordert, andererseits sperren wir hunderte Schafe auf der Alm in Pferche und treiben sie untertags in der Hitze über die Almflächen. Das ist keine artgerechte Weidehaltung und auch auf die Biodiversität wirkt es sich negativ aus, da es so nicht mehr möglich ist, das gesamte Almgebiet zu beweiden“, erklärt Gahr. Er fordert weiterhin, dass in Tirol die Alm- und Weidewirtschaft mit allen Möglichkeiten erhalten bleiben muss. Die Entnahme von Großraubtieren ist für ihn alternativlos. „Herdenschutz und Behirtung sind mit Garantie nicht die Lösung“, ist sich Gahr sicher.

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