25.12.2019
Eine alte, einsame Frau fürchtete sich dieses Mal vor Weihnachten. Da kamen die Leere und ihre Einsamkeit besonders zum Vorschein. An diesem Tag waren aber alle Menschen freundlicher, geselliger und die Vorfreude auf das Fest strahlte in ihren Gesichtern. Sie feierten zusammen den Heiligen Abend. Die alte Frau sog diese Stimmung in sich auf, bei Einkaufen am tief verschneiten See, wenn die Kinder Schlittschuh liefen, und in der Weihnachtsmesse am Nachmittag mit dem Krippenspiel. Da fühlte sie sich zugehörig und wahrgenommen, nicht lästig oder im Weg. Sie wurde gegrüßt und kleine Worte wurden gewechselt und der Vermieter brachte eine Flasche Wein vorbei und wünschte ein gesegnetes Fest.
Das letzte Weihnachtsfest
Die alte Frau spürte, dass es ihr letztes Weihnachtsfest sein wird. Sie wollte es sich deshalb besonders schön machen und gönnte sich mit ihrer kleinen Rente einen Weihnachtsbaum. Der war nicht groß, ein wenig krumm, aber herrlich dicht und grün. Sie holte aus dem Keller ihren alten Weihnachtsschmuck und stellte den Baum vorsichtig in den verschrammten Ständer neben ihrem Schaukelstuhl. Da kann ich ihn am besten bewundern, freute sie sich. Der Christbaumschmuck weckte Erinnerungen und ließ ihre Augen feucht werden. Sie hatte frische Walnüsse gekauft und mit Häkchen versehen und bunten Bändern. Diese hängte sie zu den roten Kugeln und Lametta. Ihre Mutter hatte immer Walnüsse an den Baum gehängt und die Kinder durften diese dann zusammen mit den roten Äpfeln verspeisen. Wie fröhlich wir waren. Ich habe schon lange nicht mehr gelacht, dachte sie traurig. Als sie fertig war, bekam sie Rückenschmerzen und setzte sich in ihren Schaukelstuhl. Vorher öffnete sie das Fenster einen Spalt, um frische Luft herein zu lassen. Wie schön er aussieht, wenn ich später die Kerzen anzünde wird es richtig gemütlich und festlich sein. Sie schloss die Augen und machte ihr wohlverdientes Nickerchen.
Draußen auf dem Kastanienbaum vor dem Fenster saß schon eine Weile ein braunes Eichhörnchen. Neugierig beobachtete es das Treiben der alten Frau. Diese hängte Futter auf den Baum und das in rauen Mengen. Das freche Hörnchen konnte es nicht fassen. Nüsse gehören in den Magen oder unter die Erde und nicht auf eine Tanne. Als sich die sonderbare Frau nicht mehr rührte, sprang das Hörnchen zum Fenster und lugte in das Zimmer. Der Baum war das reinste Schlaraffenland. Es huschte über die Fensterbank und schlich vorsichtig zu der geschmückten Tanne. Zart biss es in eine Nuss und zog daran.
Ein bisschen Intelligenz und Pfötchengefühl später und der kleine Dieb hatte die prächtige Nuss in seinem Besitz. Lautlos huschte das kleine Hörnchen zurück auf den Baum, knackte die Nuss und ließ sie sich schmecken.Sofort danach das gleiche Spiel. Nuss stehlen, gleich fressen oder verbuddeln. Bei diesem Angebot durfte man schlemmen und gleichzeitig die Speisekammer auffüllen. Die alte Frau wachte auf und machte langsam die Augen auf. Gleich erkannte sie nicht den Unterschied, aber nach einer Minute sah sie mit Erstaunen, dass die Hälfte der Walnüsse auf dem Christbaum weg waren. Na so was? Ich habe doch alles schön verteilt. Sie sah unter dem Baum nach, aber keine Nuss war heruntergefallen. „Ich werde eben auch senil", dachte sie. Sie setzte sich wieder in den Stuhl und dachte nach. Plötzlich sah sie einen Schatten am Fenster und dann das kleine Eichhörnchen. Es schlich von der Fensterbank direkt zum Baum und stahl die nächste Nuss. Das Hörnchen war so in seinem geschäftigen Trott vertieft, dass es die Frau gar nicht beachtete.
Ohne Angst
Die alte Frau traute ihren Augen nicht. Das war doch unglaublich. Dieses kleine freche Kerlchen stahl ihr den Christbaumschmuck und hatte anscheinend kein bisschen Angst oder schlechtes Gewissen. Als das Hörnchen die Nuss in seinen Pfötchen hielt und dreist herüber sah, konnte sich die alte Frau nicht mehr zurückhalten und lachte so laut los, dass der kleine Frechdachs völlig entsetzt das Weite suchte. Sie lachte und lachte und konnte nicht mehr aufhören. Die Tränen liefen ihr über die runzeligen Wangen. Das ist das schönste und lustigste Weihnachtsfest, das ich je hatte. Sie klatschte in die Hände und freute sich wie ein Kind. Es war bereits dunkel und sie zündete schnell die Kerzen an. Dann nahm sie eine Handvoll Nüsse und legte sie draußen auf das Fensterbrett. Fröhliche Weihnachten, mein kleiner Freund, rief sie in den Kastanienbaum. Komm her und hol dir deine Geschenke. Du hast mir soviel Freude beschert das werde ich dir nie vergessen.
Positive Gedanken
Als die alte Frau vergnügt auf ihren herrlichen Baum sah und leise ein altes Weihnachtslied summte, sah sie das kleine Eichhörnchen auf der Fensterbank sitzen und hereinschauen. Sie fühlte dabei so viel Freude in sich und die Einsamkeit war fort. Vielleicht mag es ja auch andere Leckereien, gleich nach den Feiertagen werde ich Futter kaufen und mal schauen, ob es wieder kommt. Sie war plötzlich überrascht über diesen positiven Gedanken, der ein bisschen nach Zukunft roch, und dankte Gott für dieses kleine Geschöpf, das ihr wieder Lebensfreude gegeben hatte.
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